Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg:
Buchumschläge im Wandel der Zeit

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Das MKG zeigt eine Auswahl von rund 400 Umschlägen von den Anfängen bis heute aus seiner umfangreichen Sammlung. Im Bild: Kurator Dr. Jürgen Döring

Eine kleine, aber feine Ausstellung im Museum für Kunst und  Gewerbe (MKG) in Hamburg widmet sich dem Nischenthema Buchumschläge. Seit 550 Jahren werden Bücher gedruckt – aber die ersten 400 davon ohne richtige Umschläge. Im Gegensatz zur Titelseite, die stets hervorgehoben wurde, sind gestaltete Umschläge eine junge Angelegenheit.

Denn es war üblich, dass erst der Käufer die in einzelnen Lieferungen erschienenen Bücher selbst binden ließ. So kommt es, dass die historischen Bibliotheken mit ihren herrlichen Ledereinbänden noch heute beeindrucken. Als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunächst Kinder- und Jugendbücher, aber bald auch Romane mit bunten Umschlägen erschienen, war dies eine große Neuigkeit. 1896 brachte der Münchner Albert Langen Verlag eine Buchreihe mit farbig illustrierten Umschlägen auf den Markt und präsentierte sie in eigens angefertigten Schaukästen.

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Hamburgs Ehrenbürger Helmut Schmidt ist gleich mit 15 Titeln vertreten – die Fotos hat der Altkanzler selber ausgesucht.

Von da an dauerte es nur wenige Jahre, bis Buchumschläge die Regel wurden und sich zu einer begehrten Aufgabe für Grafiker entwickelten. Die hohe Zeit des Buchumschlags begann in den 1920er Jahren, als Schutzumschläge aufkamen, die sich leichter bebildern lassen als Leder- oder Leineneinbände. Seit den 1950er Jahren erscheinen auch Taschenbücher mit farbigen Titeln. Mit dem so genannten Internationalen Stil kam die große Zeit der strengen Gestalter, die den Taschenbuchreihen von Penguin und Rowohlt, Ullstein oder Suhrkamp ein einheitliches Gewand verpassten. Bis heute hat das bunte Bild auf dem Buch nichts von seiner Attraktivität eingebüßt. Zu Zeiten von E-Book und Online-Handel vermag das gedruckte Buch gerade auch mit guten Umschlägen zu punkten, und es gibt eine Fülle und Qualität wie selten zuvor. Das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG) zeigt eine Auswahl von rund 400 Umschlägen von den Anfängen bis heute aus seiner umfangreichen Sammlung.

Einband – Umschlag

Man sollte meinen, die Seiten eines Buches zusammenzuhalten, sei eine klare Angelegenheit. Doch weit gefehlt. Es gibt eine Fülle von Materialien, Techniken und vor allem auch Begriffen, die selten eindeutig sind. Unter Einband verstehen wir den festen Buchdeckel, verleimt oder vernäht mit dem Buchblock. Ein Einband kann aus Leder, Leinen und vielen anderen Materialien bestehen, oft auch nur aus Pappe. Seit der Zeit des Jugendstils und dem Aufleben des Kunsthandwerks entstanden kostbare, oft von Hand gearbeitete Einbände. Der Umschlag dagegen meint genau genommen den Schutzumschlag, der lose um den Einband gefaltet wird. Aber auch die biegsame Broschur von Taschenbüchern wird oft als Umschlag bezeichnet. Bei seiner Gestaltung steht nicht die kunsthandwerkliche Qualität im Blickfeld, sondern es geht um Illustration und Layout.

Umschläge im Jugendstil

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Buchumschläge entwickelten sich etwa ab Ende des 19. Jahrhunders zu einer begehrten Aufgabe für Grafiker.

Die Jahre um 1900 bedeuten einen Höhepunkt in der Geschichte der Buchgestaltung. Führende Künstler der Epoche – Aubrey Beardsley in London, Eugène Grasset in Paris oder Otto Eckmann in Berlin – entwarfen Einbände, die als kostbare Einzelstücke von Hand gefertigt werden konnten, die aber häufiger als Vorlagen für industrielle Vervielfältigung dienten. Neue Drucktechniken erlaubten die Verarbeitung traditioneller Materialien wie Leder und Leinen. Prägedruck und Goldeinlagen ließen auch hohe Auflagen stattlich erscheinen. Wegweisend waren Umschläge mit Illustrationen, vervielfältigt als Lithografie oder Autotypie, die auf einen Pappeinband geleimt wurden und die dem gesamten Einband ein einheitliches Gewand verpassten. Ein Vorreiter war der Insel Verlag in Leipzig. Die Monatsschrift Die Insel und später die dünnen Bändchen der Inselbibliothek fallen noch heute durch ihre hervorragende ornamentale Gestaltung auf.

Schutzumschläge

Schutzumschläge, wie wir sie heute kennen, kamen in den 1920er Jahren auf. Sie werden um den eigentlichen Einband gefaltet und lassen sich mit ihrer glatten und oft glänzenden Oberfläche besser und einfacher bedrucken, als fester Karton oder Leinen. Trotz der schönen Bilder haben Schutzumschläge etwas Provisorisches. Oft nimmt der Leser sie ab, und Bibliotheken entfernen sie grundsätzlich, da sie in eng gestopften Regalen schnell unansehnlich werden. Seit über zwanzig Jahren erhält das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg von der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg diese Schutzumschläge. Die schönsten werden aufbewahrt. Und so entsteht im Laufe der Jahre eine stattliche Sammlung. Trotz des scheinbar vergänglichen Charakters von Schutzumschlägen gehört ihre Gestaltung nach wie vor zu den begehrtesten Aufgaben des Grafikdesigners.

Porträts

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Auf Biografien von Politikern finden sich häufig Porträts, die von den Dargestellten selbst gewählt wurden.

Viele Jahrhunderte spielten Porträts eine bedeutende Rolle im öffentlichen Leben. Noch im 18. Jahrhundert konnten sie bei offiziellen Anlässen den Herrscher regelrecht vertreten. Und das Bild des Kaisers fand sich noch im frühen Jahrhundert in jeder Amtsstube. Porträts dieser Art haben in unserer bildergesättigten Gesellschaft keine staatstragende Funktion mehr. Umso mehr dienen sie dafür der Vermarktung und Eigenwerbung von Stars und Sportlern, von Politikern und Prominenten aller Art. In diesem Kontext kommen Buchumschläge als ein öffentlicher und durchaus werbewirksamer Ort ins Spiel. Auf Biografien oder Abhandlungen von Politikern finden sich häufig Porträts, die von den Dargestellten selbst gewählt wurden und die ein offizielles Bild der Person vermitteln. Damit stehen sie durchaus in der Tradition des öffentlichen Porträts vergangener Jahrhunderte.

Romane

Es ist naheliegend, dass die Umschläge von Romanen illustriert werden. Das Motiv weist auf den Inhalt, und der Stil deutet das Genre an. Den Ideen der Grafiker scheinen keine Grenzen gesetzt, sieht man einmal von den Vorgaben der Verlage ab, die Format und Verlagslogo festlegen. Es ist erstaunlich, was Umschläge auf den ersten Blick alles zu sagen vermögen. Man erkennt: Hier handelt es sich um einen Liebesroman, da geht es um einen Krimi und dort um etwas Erotisches. Romane, die sich ausdrücklich an ein weibliches Publikum wenden, treten gerne mit Pastellfarben und Weichzeichner auf. Klassiker der Weltliteratur dagegen verzichten auf Bilder und bauen allein auf ihren bekannten Namen, vorgetragen in klassischer Typografie. Ganz anders das Fantasy-Genre, das längst auch ein erwachsenes Publikum anzieht und dessen Motive gar nicht schrill genug sein können.

Politische Themen

Rot und Schwarz sind die bevorzugten Farben bei Büchern über politische Themen. Die Farbkombination ist von hoher Signalwirkung und fordert gleichermaßen Aufmerksamkeit und Autorität. Seit dem 19. Jahrhundert ist Rot die Farbe der Arbeiter und der Republik, seit der russischen Revolution 1917 auch die Farbe von Revolution und Kommunismus. Trotz der deutschen Faschisten, deren Uniformen zwar braun, deren Flaggen aber rot und schwarz waren, blieb Rot die Farbe der Revolution. Die Geschichtsschreibung zum Faschismus wie überhaupt zur Politik des 20. Jahrhunderts nutzt für ihre Umschläge diese Tradition. Die Titel treten in seriösem Schwarz auf und sehr oft dient Rot als Kontrastfarbe. Neue Themen wie der internationale Terrorismus erfordern auch eine neue Gestaltung – man merkt, dass die Branche hier noch keinen allgemein überzeugenden Weg gefunden hat.

Veranstaltungsort: Museum für Kunst und Gewerbe (MKG)
Termin: 21. November 2016 bis 26. Februar 2017

 

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